Als Erfinderin des modifizierten RNA-Boten, der in modernen Covid19 Impfstoffen verwendet wird, wurde Katalin Karikó gemeinsam mit ihrem amerikanischen Forscherkollegen Drew Weissman am 2. Oktober 2023 mit dem Nobelpreis für Physiologie oder Medizin ausgezeichnet. Die Ankündigung erfüllt ihre Alma Mater, die Gemeinschaft der Universität Szeged, mit Stolz.
Unsere Mitarbeiter berichten aus Philadelphia:
Am Montag, dem 2. Oktober 2023, klingelte im Morgengrauen das Telefon im Haus von Katalin Karikó. 3:50 Uhr in Philadelphia, 9:50 Uhr in Stockholm.
„Der” Telefonanruf
"Hallo, Thomas Perlmann hier, von dem Nobelkomitee", begann die Einleitung. "Béla Francia am Apparat", kam die Antwort. "Entschuldigen Sie, dass ich Sie so früh störe, aber ich suche Katalin Karikó. Stehen Sie mit ihr in Kontakt?" - fuhr das Gespräch fort. "Ja. Ich bin ihr Mann!" "Würden Sie bitte Katalin ans Telefon rufen?" - kam die Aufforderung.
"Hallo, Katalin Kariko?" - grüßte das Mitglied des Nobelkomitees. Die Stimme von Thomas Perlmann, Professor für Molekulare Entwicklungsbiologie am Karolinska Institut, überbrückte die 6446 Kilometer zwischen Philadelphia und Stockholm. Er verkündete kurz die Entscheidung der Nobelversammlung des Karolinska Institutes in Schweden: Der Nobelpreis für Physiologie und Medizin 2023 wird an Katalin Karikó und Drew Weissman verliehen. Er erleuterte die offizielle Begründung in einem Satz. Diesen korrigiert Katalin Karikó ein wenig - denn niemand weiß mehr über mRNA-Modifikation als sie – und so einigten sie sich auf die entgültige Variante des Satzes. Dann begannen sie sich zu unterhalten. "Normalerweise rede ich nicht so viel, aber das ist eine außergewöhnliche Situation. Herzlichen Glückwunsch zum Nobelpreis!" - beendete Thomas Perlann das Gespräch.
"Danke", sagte eine gerührte Katalin Kariko in den frühen Morgenstudenten. Das Bett ist noch nicht gemacht war, ihr Mann Béla Francia brachte gerade frischen Kaffee.
Der Wille von Alfred Nobel wurde ausgeführt: In diesem Jahr wird der Nobelpreis an „die Person verliehen, die die wichtigste Entdeckung auf dem Gebiet der Physiologie oder Medizin gemacht hat".
Der nächste Anruf kam ebenfalls aus Stockholm. Adam Schmidt, Direktor von Nobel Media, führte das erste Interview mit Katalin Karikó, die gerade erst von der Nachricht des Nobelpreises erfahren hatte. Die mRNA-Forscherin beschrieb die wichtigsten Meilensteine ihres Lebens.
Sie gedenkte Ihrer Eltern mit Liebe, die sie in einer geborgenen Familienatmosphäre erzogen und ihr den Wert der Arbeit vermittelt haben. Sie betonte, dass sie sich bewusst für ein Biologiestudium an der Universität Szeged beworben habe und an einem Talentprogramm teilgenommen hat. Schon als Studentin hatte sie die Möglichkeit im damals eben eröffneten Biologischen Zentrum in Szeged an Forschungsarbeiten teilzunehmen. Die Schwierigkeiten, mit denen sie in ihrem Leben konfrontiert wurde, überwand sie durch die Lektüre des Buches von János Selye über Stressforschung. Sie versuchte, sich auf das zu konzentrieren, was sie selbst ändern konnte. Diese Einstellung half ihr, negativen Stress in positiven Stress umzuwandeln.
Der erste, der Katalin Karikó gratulierte, war ihr Ehemann Béla Francia. Dann wurde die noch „geheime” Nachricht den Familienmitgliedern mitgeteilt, Katalins Schwester in Budapest.
In den letzten zweieinhalb Jahren wurde Katalin Karikó mit mehr als hundert Preisen ausgezeichnet. Sie ist inzwischen "geübt" darin, Nachrichten über Auszeichnungen entgegen zu nehmen, aber der Nobelpreis ist mit nichts anderem zu vergleichen! Diese Ehrung ging ihr sichtbar sehr nahe.
Ihr erster Anruf ging an Drew Weissman, ihrem amerikanischen Forschungskollegen, um ihm zu unterrichten dass er gleich auch einen Anruf von dem Karolinska Institut erhalten würde, dass sie gemeinsam mit dem Nobelpreis für Physiologie und Medizin 2023 ausgezeichnet werden.
Vier Jahrzehnte mit dem Boten
Auf der Webseite des Karolinska Institutes wurde die Ankündigung des Nobelpreiskomitees in den ersten Minuten von mehr als 13.000 Personen aufgerufen, weitherin gingen zahlreiche Glückwunschschreiben und Interviewanfragen ein, gleichzeitig verfolgte Katalin mit ihrem Mann, Béla Francia, an ihrer Seite die Nobelpreisübertragung wo es dann offiziell wurde: Katalin Karikó und Drew Weissman haben den diesjährigen Nobelpreis für Physiologie und Medizin erhalten!
Katalin Karikó wurde in Szolnok geboren, wuchs in Kisújszállás auf, machte ihren Abschluss in Biologie an der Universität Szeged und promovierte 1982 in Biochemie. Sie begann ihre Forschungstätigkeit am Biologischen Zentrum von Szeged, ihrer ersten Arbeitsstelle.
1985 ging sie mit einer Arbeitserlaubnis in die Vereinigten Staaten, begleitet von ihrem Mann und ihrer kleinen Tochter. Sie kam 1989 an die Universität von Pennsylvania, wo sie 24 Jahre lang als Forscherin und Dozentin tätig war.
Sie gründete ein Unternehmen und war von 2006 bis 2013 CEO von RNARx. Von 2013 bis 2022 war sie die Senior Vice Presidentin bei BioNTech in Deutschland, wo sie die Forschung zur therapeutischen Anwendung von modifizierter mRNA leitete.
Dr. Katalin Karikó beschäftigt sich seit vier Jahrzehnten mit RNA-vermittelten Mechanismen: Sie arbeitet an der Entwicklung von im Labor modifizierten mRNA-Molekülen zu Proteintherapeutika. Gemeinsam mit dem Immunologen Dr. Drew Weissman entdeckte sie, dass die entzündungsfördernde Wirkung von RNA durch Nukleosidmodifikationen unterdrückt wird. Diese Pionierarbeit, die Patente der beiden Forscher auf nukleosidmodifizierte Uridine der mRNA, ebnete den Weg für den therapeutischen Einsatz von mRNA - zum Beispiel bei der Behandlung von Krebs, aber auch von Autoimmun-, Infektions- und Erbkrankheiten.
Es war die Entwicklung von mRNA-basierten Impfstoffen, die eine Schlüsselrolle bei der Eindämmung der Corona-Pandemie spielten, die die Aufmerksamkeit der Welt auf die Bedeutung von Dr. Katalin Karikós Entdeckungen über RNA-Boten lenkte. Für ihre bahnbrechenden Leistungen, die zu Durchbrüchen in der Medizintechnik geführt haben, wurde sie zum Mitglied von sechs Wissenschaftsakademien gewählt; 16 Universitäten haben ihr die Ehrendoktorwürde verliehen; sie erhielt mehr als 70 wissenschaftliche Auszeichnungen und zahlreiche weitere Ehrungen. Diese Preisverleihungen machten Dr. Katalin Karikó, Professorin an der Universität Szeged und außerordentlicher Professorin an der University of Pennsylvania, zu einer der weltweit bekanntesten und einflussreichsten Wissenschaftlerinnen unserer Zeit.
Der Stolz von Szeged und Philadelphia
Die Bekanntgebung der Nachricht aus Stockholm wurde bei mit großer Spannung im Rahmen einer Nobelpreis-Warteveranstaltung an Katalin Karikós Alma Mater, der Universität Szeged verfolgt. Die Pressekonferenz der Universität von Pennsylvania, der letzten amerikanischen Arbeitsstelle der Entdeckerin, beginnt um 17:30 Uhr ungarischer Zeit. Die Pressekonferenz wird live auf Facebookseite der Universität Szeged übertragen.
Hier werden die beiden Forscher Katalin Karikó und Drew Weissman zusammentreffen und die Fragen der Journalisten beantworten. Seit ihrem denkwürdigen Gespräch an einem Fotokopierer an der Universität von Pennsylvania im Jahr 1997 haben sie einen langen Weg zurückgelegt. 2005 ist auch deshalb ein denkwürdiges Datum, weil ihre bahnbrechende Veröffentlichung ungehört blieb. Aber die Arbeit ging weiter. Sie entwickelten eine Technik zur Vermittlung von mRNA in Fetttröpfchen, so genannten Lipid-Nanopartikeln. Dadurch wurde sichergestellt, dass die mRNA die richtige Stelle im Körper erreichte und das Immunsystem zur Bekämpfung von Krankheiten anregte. Im Jahr 2012 wurde die synthetische mRNA erfolgreich im Rahmen von Tierversuchen eingesetzt.
Ihre wissenschaftliche Arbeit wurde weiterhin mit zahlreichen nationalen und internationalen Auszeichnungen gewürdigt. Sie erhielt mehr als hundert Preise aus der ganzen Welt: aus Ungarn, aus zahlreichen weiteren europäischen Ländern, den Vereinigten Staaten, sowie Asien. In der Liste der Ehrungen, die sie gemeinsam mit anderen erhalten hat, ist Drew Weissman mit fast vierzig gemeinsamen Preisen der am häufigsten Ausgezeichnete. Die vier bemerkenswertesten der gemeinsamen Kariko-Weissman-Auszeichnungen sind bisher der Lasker-DeBakey Clinical Medical Research Award, auch bekannt als amerikanischer Nobelpreis; der Breakthrough Prize in Life Sciences, auch bekannt als der Oscar des Silicon Valley; der Prinzessin-von-Asturien-Preis, bekannt als "spanischer Nobelpreis", und der Japan-Preis.
Die Live-Ankündigung des Karolinska Institutes wurde von Prof. Gábor Szabó, dem Vorsitzenden des Kuratoriums der Stiftung der Universität Szeged, Prof. László Rovó, dem Rektor der Universität Szeged, Prof. Márta Széll und Prof. Klára Gellén, Vizerektorinnen und Dr. Judit Fendler, Kanzlerin der Universität Szeged, sowie von Direktoren, Professoren und zahlreichen Universitätsbürgern verfolgt.
Als ob die halbe Welt auf diese Ankündigung gewartet hätte, überschwemmten Glückwünsche Katalin Karikós soziale Netzwerke und ihr E-Mail-Konto.
Die 13. Frau
Mit dem Erhalt des Nobelpreises für Physiologie und Medizin tritt die Professorin aus Szeged und Philadelphia in die Fußstapfen von Vorgängern wie Emil von Behring, der den Nobelpreis für seine Arbeiten zur Serumtherapie vor 122 Jahren erhielt.
Zu den bisherigen Preisträgern gehören Wissenschaftler wie Severo Ochoa und Arthur Kornberg (1959) sowie François Jacob, André Lwoff und Jacques Monod, die die Steuerung der nachrichtenübertragenden RNA, der Ribosomen und einzelner Gene entdeckten. Der Immunologe Drew Weissman kann sich auf das Duo Ilja Iljitsch Mechnikow und Paul Ehrlich berufen, die den Nobelpreis für die Erforschung des Immunsystems (1908) erhielten, sowie auf Jules Hoffmann, der für seine Forschungen über das natürliche oder angeborene Immunsystem ausgezeichnet wurde (2011), und auf Bruce Beutler, der an der Universität Szeged einen Vortrag halten wird.
Im Nobelpreis-Lexikon von Wikipedia sind bei Ungarn oder "Ungarn/USA"drei Jahreszahlen aufgeführt. 1914 erhielt Róbert Bárány den Nobelpreis für Physiologie und Medizin für seine Arbeiten über die Physiologie und Pathologie der Gleichgewichtsorgane des Innenohrs; 1937 erhielt Albert Szent-Györgyi, Professor an der Universität Szeged, den Nobelpreis für Physiologie und Medizin für seine "Entdeckungen auf dem Gebiet der biologischen Verbrennungsprozesse, insbesondere die Rolle von Vitamin C und der Fumarsäurekatalyse", während György Békésy 1961 den Nobelpreis für Physiologie und Medizin für seine Entdeckungen über den physikalischen Mechanismus des Innenohrs, die Erregung der Cochlea, erhielt.
Von den 113 Nobelpreisen in dieser Kategorie, die bis 2022 vergeben werden, werden 30 Prozent von zwei Wissenschaftlern geteilt, und 35 Prozent von drei. Von den 227 Nobelpreisträgern in den Bereichen Physiologie und Medizin ist Katalin Kariko die dreizehnte Frau, die diesen Titel erhalten hat.
Die Gemeinschaft der Universität Szeged ist mit Stolz erfüllt, dass 86 Jahre nach Albert Szent-Györgyis Nobelpreis, nun auch Katalin Karikó, Alumna unserer Universität diesen prestigeträchtigen Preis erhalten hat. Wir freuen uns mit ihr!